Die Idylle bricht jedoch jäh in sich zusammen, als Beere erfährt, dass sein Sohn ein Herzleiden hat und operiert werden muss, und keiner weiß, ob er den Eingriff überleben wird.
Auf Bienes Suche nach Antworten auf die große Frage nach dem Tod, entpuppt sich ausgerechnet der verschlossene Eigenbrötler Phillip, den alle in der Klasse nur „Milchbubi“ nennen, als wichtige Schlüsselfigur…
"Tintenblaue Kreise" erzählt von Freundschaft, erster Liebe und dem Mut, für sich und andere einzustehen.
Luftschacht, Herbst 2017
von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. zum Buch des Monats Jänner 2018 gewählt
Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2018
Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 2018
IBBY Honour List 2020
von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. zum Buch des Monats Jänner 2018 gewählt
Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2018
Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 2018
IBBY Honour List 2020
Leseprobe:
„Mühle
zu!“
Und
Jockel lächelt milchbärtig.
Ein
leichter Sieg. Gegen ein Mädchen, das den Kopf voller schwarzer
Gedanken hat.
Gedanken
wie: Was ist, wenn Jockel Recht hat? Wenn da nichts ist? Man stirbt
und aus. Das war es dann. Kein Himmel, kein Gott, kein ewiges Leben,
keine Wiedergeburt, nichts.
Ich
starre in mein Glas.
Pfefferminzsirup
leuchtet grün in der Nachmittagssonne, die durch das große Fenster
fällt.
Mama
hat ihre Jazz-Playlist laufen. Summt dazu, während sie die Gäste
bedient. Kommt und fragt, ob sie uns noch etwas bringen soll.
Es
gibt Tage im Leguan, da brummt es vor Leuten und es ist so viel zu
tun, dass Mama kaum verschnaufen kann.
Und
es gibt Tage wie heute, die gemächlich sind, wie ein dicker, fauler
Kater im Schaukelstuhl.
„Noch
Kuchen?“
„Danke.“
Jockel winkt ab.
„Und
du, Biene?“
Mama
streicht mir über den Rücken.
„Keinen
Hunger“, murmle ich, worauf sie mich forschend anschaut.
„Alles
okay mit dir?“
Sie
zieht sich einen Sessel her. Will sich gerade zu uns setzen – reden
wahrscheinlich, erfahren, was denn da los ist mit ihrer Tochter –
als hinter ihr jemand sagt: „Entschuldigung. Ich soll hier was
abholen.“
Mama
dreht sich um und ich sehe ein blasses, schmales Gesicht, wirre
rotblonde Haare und ein ausgewaschenes Donald-Duck-T-Shirt.
„Phillip?“
Er
bemerkt mich und wirkt plötzlich verunsichert.
„Hallo“,
sagt er.
Mamas
Blick wandert hin und her.
„Ihr
kennt euch?“
„Von
der Schule“, sage ich knapp.
„Ich
...“ Phillip zögert. Wendet sich dann Mama zu.
„Meine
Mum hat was bestellt. Das soll ich abholen.“
„Auf
welchen Namen denn?“
„Higgins.“
Mama
nickt. Lässt Phillip stehen.
Er
schaut verloren um sich.
Jockel
deuet auf den leeren Stuhl.
„Der
Platz ist noch frei, dann sind wir drei!“ Und klopft auf die
Sitzfläche.
Er
zwinkert Phillip aufmunternd zu.
Phillip
lächelt nervös. Setzt sich. Seine Hände suchen eine Beschäftigung.
Vor
ihm liegt eine Serviette. Er fängt an zu falten.
„Du
bist also Phillip.“ Jockel macht auf Small-Talk. „Higgins, ja?
Ist das irisch?“
Phillip
nickt. Faltet.
„Echt
jetzt?“, sage ich. Ehrlich überrascht. „Du kommst aus Irland?“
Ich
habe Phillips Nachnamen sicher schon hundert Mal gehört, aber nie weiter darüber nachgedacht.
„Irland
– Bierland“, wirft Jockel ein. Ein richtig schlechter Reim.
Aber
Phillip lächelt höflich.
„Zur
Hälfte“,
erklärt er und stellt das kleine Serviettenschiff vor sich auf den
Tisch.
„Mein
Dad ist Ire. Meine Mum ist von hier.“
„Auch
hier gutes Bier!“ Jockel übertrifft sich selbst.
Phillip
wirft mir einen fragenden Blick zu und ich muss lachen.
„Denk
dir nichts dabei“, sage ich. „Ich glaube, Jockel steigt gerade
sein Mühle-Sieg zu Kopf!“
„So,
bitteschön!“
Mama
kommt aus der Küche zurück, zwei große, weiße Schachteln in den
Händen.
„Zweimal
Malakoff.“ Stellt die Torten auf den Tisch. Legt die Rechnung
obendrauf.
„Achtzig
Euro geradeaus. Geht's so, oder brauchst du eine Tasche?“
„Geht
schon so.“ Phillip zieht Geld aus der Hose. Zahlt.
Er
steht auf, nimmt die beiden Kartons.
Sagt:
„Tschüss!“ Sagt: „Dann, bis morgen.“ Sagt: „Auf
Wiedersehen.“
„Bis
morgen“, sage ich und schaue ihm hinterher, wie er sich mit den
Torten im Arm durch die Tür nach draußen wurschtelt und am Fenster
vorbei die Straße runtergeht.
Ein
kleiner Serviettendampfer tuckert über den Tisch. Mein Zeigefinger
schiebt das Schiffchen vor sich her in die Sonne.